Winterdepression



Winter … weiße Tage, schwarze Nächte. Der Winter ist wohl die ungeliebteste, wenn gleich auch eine der schönsten Jahreszeiten für uns Angler. Schnee, Eis und Kälte erfordern schon einige Überwindung seinen Astralkörper nur in die Nähe von Gewässern zu schleppen. Ist es einem dennoch gelungen den bekannten Schweinehund zu überwinden, wird man mit einer friedlichen Natur und unbekannter Stille belohnt. Nicht selten überkommt einem das Gefühl der vollkommenen Einsamkeit. Eine Einsamkeit, welche man zu schätzen wissen muss!

Mit den richtigen Utensilien und Bekleidung lässt sich der Kälte trotzen und die Situation erträglicher werden. Nur eine immer wiederkehrende Konstante macht uns regelmäßig einen „Strich durch die Rechnung“ … EIS !!! Der Feind eines jeden Anglers. Eis ist ein überaus ausdauernder Wiedersacher. Wer hat sich nicht schon seine Gedanken gemacht wie und vor allem womit man diesen Gegner zu Leibe rücken kann. Ich war schon drauf und dran mir meine Benzin-Kettensäge zu schnappen und eine gepflegte Schneise von ca. 50-100m in den See zu fräsen. Bei einer durchschnittlichen Breite von gut einem Meter sollte es doch möglich sein, im Falle eines Bisses, sein Gegenüber hindurch zu häkeln. Auch die Anschaffung einer stattlichen Herde von Kühen, zur aktiven Erhöhung der Treibhausgase und der damit verbundenen globalen Klimaerwärmung, habe ich in Betracht gezogen. Nur habe ich erstens nicht das nötige Kleingeld und zweitens kann man das ja schlecht mit der Liebe zur Natur in Einklang bringen! Also habe ich diese Idee auch wieder verworfen. Komische Zeit … auf was für Ideen man da kommt.

Also, was macht der Karpfenangler eigentlich im Winter? In der Regel ist der „gemeine Karpfenangler“ die ersten Tage/Wochen damit beschäftigt sein sogenanntes Tackle winterfest zu machen. Wie ER dies tut entzieht sich jedoch meiner Kenntnis, da ich mich hier öffentlich als Tackleschlampe oute. So … jetzt ist es raus. Ich nehme mir zwar jedes Jahr vor dies zu tun, doch irgendwie packe ich es nie. Warum auch? Wenn meine Ausrüstung besondere Winterpflege benötigt, dann ist sie bei mir an der falschen Adresse. Versteht mich nicht falsch, ich gehe schon sorgsam mit meinem Gerät um und weil das so ist benötigt es auch keinerlei Extrabehandlung … zumindest rede ich mir das ein. So … wohin also mit der ganzen Zeit? Alkoholkonsum wäre eine Möglichkeit, jedoch spielt da meine Regierung nicht so ganz mit. Auch die Überlegung zur Gründung einer Selbsthilfegruppe habe ich wieder verworfen, obwohl ich mir über deren Anzahl an Mitgliedern keine Gedanken machen würde. Wenn man in die ratlosen, von Langweile geprägten traurigen Gesichter hunderter von Karpfenanglern blickt, bekommt man schon das Verlangen sich in den nächsten Kartoffelsack zu schwingen und zum Prediger ausrufen zu lassen. Aber, da ich mich ungern in den Mittelpunkt dränge, fällt das dann wohl auch aus. Mein Gemütszustand schwankt im Winter ständig zwischen liebevoll ausgeglichenem Familienvater und absoluter Schizophrenie. Ich denke jeder Psychologe würde sich die Hände reiben, um mich während dieser Zeit analysieren zu können. Die einzig wirklich sinnvolle Betätigung ist wohl die Ergründung neuer Jagdgebiete . Bewaffnet mit einer selbst erstellten Gewässerkarte und ausreichend Glühwein, macht man sich auf den Weg in unbekannte Galaxien. Akribisch wird jeder nur im Ansatz interessante Platz unter die Lupe genommen. Im Idealfall ist man in Begleitung eines ebenso von einer langen Leidensgeschichte gezeichneten Artgenossen, mit welchen man die plötzlich und meist unverhofft auftretenden Gefühlsexplosionen bei der Besichtigung vielversprechender Plätze in den Griff zu bekommen versucht. Gern auch unter zur Hilfenahme gegenseitiger Beweihräucherung und Lobeshymnen. Das selbstverständlich in diesem neuen Gewässer nur Fische jenseits der 50+ Marke schwimmen muss ich hier wohl nicht erwähnen, oder? Ich gebe zu bedenken, dass eine realistische Wahrnehmung, durch die mit zunehmender Zeit aufkommenden Entzugserscheinungen, als Resultat der Zwangspause, drastisch getrübt werden könnte. Irgendwann habe ich mir mal das Ziel gesetzt, wenigstens ein neues Gewässer im Jahr zu befischen. Abwechslung heißt die Devise!

Eine unausweichliche Aufmerksamkeit muss ich, wie in jedem Jahr, meiner Grabbel … äh Tacklebox widmen. Die Aufmunitionierung der selbigen erfordert wenigstens ansatzweise Gehirnschmalz … Hurra. Was sich so alles innerhalb eines Jahres angesammelt hat?! Eine wirkliche Struktur ist, selbst mit ausreichend vorhandener Phantasie, nicht mehr auszumachen. Also … Altes raus und Neues rein! Mittlerweile könnte ich locker 3 Boxen füllen, wenn man bedenkt wie viele Rigs, Haken, Vorfachmaterialien, Wirbel, Tubes, Slives, Shrinks, Puttys, Rings, etc., etc. sich angesammelt haben. Bei dieser Gelegenheit werden auch gleich die minutiös erdachten Highend-Vorfächer, welche ein Garant für den Fang hunderter atemberaubender Brassen sind, in ausreichender Stückzahl gebunden. Na, dann kann‘s ja losgehen … Petri Heil. Als passenden Ausgleich zu diesen doch nervenaufreibenden wochenfüllenden Programm bietet sich langweilen an. Hierzu begibt man sich in eine, der Körperform -und Masse angepassten, horizontalen Position und zieht sich mindestens 20x ein und die selbe DVD über karpfenangelnde Typen rein, von denen man mittlerweile unbekannter Weise keinen mehr wirklich ausstehen kann. Kein Wunder nach 20 mal . Bücher lesen fetzt im Übrigen auch nur am Wasser! Den Besuch einer aus allen Nähten platzenden Messehalle kann ich auch jedem uneingeschränkt ans Herz legen. Das Gute dabei ist, dass man sich nicht mal großartig bewegen muss. Einfach einreihen und insofern man nichts Handfestes zu greifen bekommt wird man automatisch in einem Rutsch durch die Halle geschoben. In Null Komma Nix ist man dann auch wieder am Anfang und kann, sollte man nicht alles gesehen haben, eine zweite Fahrt unternehmen. Das ist genau das was mein sowieso leicht gereiztes Karpfenangler-Ego braucht. Man kann sich dabei hervorragend in Selbstbeherrschung üben … naja wenigstens etwas. Erkenntnis des Tages: „Ich glaub ich dreh durch!“ Der momentan zu verzeichnende Temperaturanstieg lässt zumindest hoffen, dass der Wahnsinn bald ein Ende hat. In diesem Sinne … Haltet durch!!!

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